Krebs

Kompetente Patienten haben bessere Heilungschancen

Wissen, Einstellung und bewusste Entscheidungen sind für den Therapieerfolg mitentscheidend

Entspannte Frau liegt im Bett und liest ein Buch

Spoiler

  • Kompetente Patienten haben eine grössere Chance auf Heilung.
  • Die Praxis der Patientenkompetenz steht erst noch am Anfang.
  • In der Schweiz bieten erst einige wenige Onkologen ein spezielles Beratungsgespräch zum Thema Patientenkompetenz an.

‹Bitte nicht stören› stand auf dem Schild, das an der Türe baumelte. Die Tür gehörte nicht zu einem Hotel, sondern zu einem Spitalzimmer, in dem eine junge Krebspatientin lag. Trotz des Schildes betrat Prof. Dr. med. Gerd Nagel das Zimmer. «Was fällt Ihnen ein? Ich bin eine kompetente Patientin», tadelte die 22-jährige Frau den Arzt. Der Vorfall aus dem Jahr 1998 war die Geburtsstunde der Patientenkompetenz. Der Begriff sei nicht sehr attraktiv, aber bisher habe niemand einen besseren gefunden, sagt der Onkologe. «Kompetente Patienten sind fähig, mit und trotz der Krankheit das Leben zu gestalten», umschreibt er den Begriff.

Kompetente Patienten gestalten die Behandlung aktiv mit

Spätestens bei der Frage der Patientin, was sie selbst tun könne, müsse die Patientenkompetenz zum Einsatz kommen. «Wenn jemand diese Frage nicht stellt, sollte der Arzt das thematisieren», unterstreicht Prof. Nagel. Eine pauschale Antwort gebe es aber nicht: «Das muss man bei der Ressourcen-orientierten Beratung individuell herausarbeiten. So werden die Patienten kompetent.»

Nagel ist überzeugt, dass kompetente Patienten eine grössere Chance auf Heilung haben: «Sie vertragen die Medikamente und Therapien besser, haben weniger Komplikationen und eine bessere Lebensqualität.» Leider fehle dazu eine wissenschaftliche Studie. Deshalb setzt Nagel auf ein Forschungsprojekt der Stiftung Patientenkompetenz, die er 2003 gegründet hat.

Patientenkompetenz etabliert sich immer mehr

In der Schweiz bieten bisher weniger als eine Handvoll Krebsmediziner ein Beratungsgespräch an, um kompetente Patienten zu fördern. Gerade bei Leuten aus ländlichen Gegenden bestehe immer noch eine generelle Arzthörigkeit, sagt der Krebsspezialist. Und leider seien Mediziner manchmal nicht bereit, sich vom traditionellen Arzt-Patient-Verhältnis zu verabschieden.

Nagel stellt fest, dass die Patientenkompetenz langsam eine Breitenwirkung entfaltet. Bundesrat Alain Berset zeige starkes Interesse daran, eine grosse Krankenkasse habe den Begriff im Leitbild verankert. Positiv stimmt ihn, dass in Deutschland ein Förderprogramm zum Thema lanciert wird. Zusätzlich fordert Prof. Nagel, das Wissen um kompetente Patienten an Hochschulen und bei Organisatoren von Weiterbildungen zu verankern. «Seien wir uns bewusst: Gesund wird man nicht nur durch die Medizin, sondern auch durch den eigenen Beitrag zur Genesung.»

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